Auf der Suche nach dem «weissen Gold»
Röbi Hari taucht in den Gewässern von Golfplätzen nach versunkenen Bällen und bringt diese wieder an den Mann. Doch nicht nur Bälle lassen sich in den schlickigen Tümpeln finden.
Gerader Rücken, tiefes Durchatmen und ein schwungvoller Schlag. Dann ein lautes Platschen und ein Grummeln seitens des Golfers. Der Ball ist ins Wasserhindernis geplumpst. Gäbe es Menschen wie Röbi Hari nicht, wäre der Ball wohl im schlickigen Tümpel für immer verloren. Doch der 50-Jährige gebürtige Adelbodner witterte vor rund zehn Jahren bei einer eigenen Runde in Thun das Geschäft mit dem im Golfjargon sogenannten «weissen Gold». «Ich schlug selbst immer wieder einmal ein paar Bälle in den Teich und irgendwann fragte ich die Golfplatzbetreiber, ob ich diese wieder rausfischen darf.» Er durfte. Und so kam es, dass der Tauchlehrer und Inhaber eines Sportgeschäfts in Adelboden als erster Schweizer in die Branche des Golfballtauchens einstieg.
Mehr Bälle als Wasser
Seither haben sich noch einige weitere dem Geschäft angeschlossen. Doch wer glaubt, nun wären in den Wasserhindernissen der Golfplätze keine Bälle mehr anzutreffen, liegt falsch. «In einigen Seen wurde schon Jahrzehnte lang nicht mehr getaucht. Gefühlt liegen dort mehr Golfbälle als sich Wasser darin befindet », sagt Hari. Wo diese Plätze liegen, will er nicht verraten, das sei Berufsgeheimnis. Bevor er in seinen Tauchanzug steigt, verhandelt er mit dem betreffenden Golfplatz. Die Arrangements fallen je nach Platz unterschiedlich aus. «Die Bälle gehören den Golfclubs. Einmal wird der Gewinn aufgeteilt und ein andermal repariere ich im Gegenzug die Sprinkleranlage oder Pumpe auf dem Platz.» Wenn alles abgeklärt ist, watschelt der Taucher in voller Montur samt Schwimmflossen, Trockenanzug und Pressluftflasche über den gepflegten Rasen und verschwindet im Wasser. Begleitet wird er dabei immer von mindestens einem Helfer, der aufpasst. Seine Golferfahrung hilft ihm, die besten Jagdgründe in den Gewässern zu erkennen. So kann er je nach Entfernung vom Abschlag abschätzen, wo die meisten Bälle ins Wasserhindernis eintauchen und dort gezielt suchen.
Versunkene Schätze
Die Sicht beschränkt sich in den stillliegenden Gewässern auf höchstens zehn Zentimeter, sprich: Auch mit Taucherbrille sieht man nur wenig. «Es ist in der Regel nicht tief, aber ziemlich dunkel und kalt. Ich versuche dabei möglichst wenig Schlick aufzuwirbeln und nicht in Schlingpflanzen hängen zu bleiben», erklärt der passionierte Golfer. Gesellschaft leisten ihm dabei viele Frösche, Kröten, Fische und ab und zu mal eine Schlange. Von Hand sammelt er mehrere hundert Bälle pro Tag in den Tümpeln. An besonders trüben Stellen muss er sich fast ausschliesslich auf seinen Tastsinn verlassen. Doch nicht nur Golfbälle sind unter Wasser anzutreffen: Golf-Lochfahnen, Hinweistafeln oder einen ganzen Golfbag samt Schlägern, der «vielleicht aus lauter Frust im Wasser landete», brachte der Golfballtaucher schon zurück an Land. Manchmal kommt es auch vor, dass sich Spieler erschrecken oder neugierig die aufsteigenden Wasserblasen begutachten, die von seiner Taucherausrüstung herrühren. Einmal spielten zwei Damen einen Ball in den See und Hari streckte den Arm aus dem Wasser und fragte: «Ist das Ihr Ball?» Der Taucher erlebt viele solche Geschichten. Es komme auch immer wieder vor, dass er sich eine Diskussion mit einem in der Kiste wühlenden Golfer liefern müsse, der überzeugt sei, sein Ball befände sich unter den Gesammelten. Getan ist die Arbeit unter Wasser erst, wenn entweder die Pressluftflasche leer oder Hari müde ist – oder beides. Jedes Jahr geht der Taucher auf Golfplätzen in der ganzen Schweiz auf Beutezug. Vermehrt ist er dabei in Bern, Zürich und Winterthur anzutreffen. Auch Luzerner Golfplätzen stattet der Geschäftsinhaber hin und wieder einen Besuch im Taucheranzug ab. In der Ostschweiz hingegen war er bis jetzt nur zum Golfen mit seinen drei Kindern oder für Besuche bei Bekannten unterwegs. Doch kann Hari sich gut vorstellen, auch hier einmal Jagd auf verlorene Bälle zu machen.
Kreisende Bürsten für die Bälle
Nachdem die Kiste am Ufer rund tausend Bälle beherbergt, ist der Tauchgang beendet und der Anzug wird ausgezogen – «Er stinkt nach Fisch und Schlick», wie Hari sagt. Von den vielen Bällen wandert rund die Hälfte direkt in den Müll. Zu lange lagen sie schon im Wasser und sind somit nicht mehr rezyklierbar. Aber «nach dem Tauchen fängt die eigentliche Arbeit erst an.» Denn nun gilt es die noch guten Bälle zu säubern und zu sortieren. Die im Schlickmantel verpackten Spielbälle werden mit einem speziellen Waschmittel gesäubert. Was Röbi Hari anfangs noch mühsam von Hand schrubbte, erledigt nun eine von ihm umgebaute, mit kreisenden Bürsten versehene Waschmaschine. Da Hari das Golfballtauchen nur nebenberuflich ausübt, dauert dieser Vorgang gut drei Tage. Anschliessend werden die sauberen Bälle nach Marke, Modell und Zustand in Kategorie A, B und C unterteilt und im Internet als Occasionen weiterverkauft. Neue Golfbälle können gut fünf Franken das Stück kosten, bei Hari im Versandhandel sind sie günstiger. Die Unterwasserexpeditionen des Golfballtauchers sind somit nicht nur ökologisch sinnvoll und eine tolle Kombination seiner beiden Leidenschaften, sondern auch eine preiswerte Alternative für viele Golfspieler.
Dieser Beitrag erschien am 6. Mai 2017 in der Beilage
"Faszination Golf – Sport- und Freizeitvergnügen in der Ostschweiz"
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Bericht als PDF: Faszination Golf, Ausschnitt der Beilage vom 6.5.2017